Donnerstag, 7. Januar 2010

Aus der Schweriner Volkszeitung


"Wir wollen keine Sohlgleite"
von Manfred Drössler

Ortsvorsteher Wolfgang Thätner (r.) und Heimatforscher Werner Dannehl schauen auf das nach 1990 erbaute Klappwehr, das sich ihrer Meinung nach als Fehlkonstruktion erwies.Manfred Drössler
Eine angebliche Liste, auf der ein Rückbau des Stepenitzwehres und sein Ersatz durch eine sogenannte Sohlgleite steht, ruft Putlitzer Bürger auf den Plan. Eine Unterschriftensammlung soll ihrer Initiative gegen einen Abriss und für eine Wiederherstellung des Wehres Nachdruck verleihen.
PUTLITZ - "Unsere Forderungen lauten: Wiederherstellung der Funktionalität unseres Wehres, Anstauen der Stepenitz, um die Wasserkraft wieder zur Stromerzeugung nutzen zu können sowie Inbetriebnahme der denkmalgeschützten Mühle", steht unter anderem auf dem Blatt, mit dem Ortsvorsteher Wolfgang Thätner, Stadtverordneter Wilbert Langfeld und Heimathistoriker in Putlitz unterwegs sind, um Unterschriften zu sammeln.
Die Situation ist verzwickt. Das Wehr steht auf Stadt- und Landesliegenschaften. Die Kommune ließ das Wehr Anfang der 90er Jahre erneuern, durch Nachträge wurde es teurer als geplant, so dass die Stadt noch heute an der fianziellen Belastung zu knabbern hat.

Bürger werten Klappwehr als Fehlkonstruktion"Dieses Klappwehr ist eine Fehlkonstruktion, weil es die besonderen Bedingungen der Stepenitz mit seinem hohen Sedimentanfall nicht berücksichtigt. Früher gab es ein Schottwehr, das besser funktionierte. Darum wollen wir in den Seitenwangen wieder ein Schottwehr haben", fordert Wilbert Langfeldt. "Wenn wirklich wieder Geld in die Hand genommen wird, soll endlich was Vernünftiges daraus werden und keine plätschernde Kaskade", betont der Stadtverordnete.

Nach einer Haverie vor neun Jahren wurde der Stadt eine weitere Bedienung des Wehres untersagt und der Wasser- und Bodenverband mit ins Boot geholt. Der senkte das Wehr schrittweise ab, damit die Schlammbildung nicht noch größer wird. Seit mehreren Jahren steht das Wehr 75 Zentimeter unter Maximalstauziel.

"Doch damit taten sich neue Probleme auf. Durch das höhere Gefälle entstanden jetzt ganz andere Strömungen , die Uferschäden verursachen, besonders oberhalb des Wehres. Hier werden verstärkt Wurzeln freigelegt und Bäume stürzen um", weist Wolfgang Thätner auf die Folgen hin. Und: der einstige Mühlenarm, wo früher Waschbänke standen und so viel Wasser floss, um das Mühlrad und später die Turbine anzutreiben, ist total verlandet und grünt als Wiese

"Für die Instandsetzung von Dach und Turbine sind seinerzeit 250 000 DM eingesetzt worden. Da ist es für mich unverständlich, dass das Wasser unnütz über das Klappwehr geleitet wird, anstatt Strom zu erzeugen", wirft Hermann Dannehl (82) ein. Noch paradoxer sei für ihn aber, dass Turbine und Mühle angeblich nicht mehr betrieben werden dürfen - wegen fehlendem Wasserrecht. "Die Wassermühle gibt es seit 350 Jahren und da ist es doch eine Lachfrage, dass kein Wasserrecht mehr bestehen soll", meint der Heimathistoriker, der als gelernter Müller selbst von 1948 bis 1958 in der Mühle gearbeitet hat.

"Mit dem alten Wehr und der Mühle hatte die Stepenitz so viel Wasser, dass sogar Fischotter hier zu Hause waren. Und wo Fischotter sind, sind auch Fische. Vor 70 Jahren gab es auch Forellen", erzählt Dannehl.

Anglerverband fordert funktionsfähige FischtreppeEine Forderung des Landesanglerverbands besteht in der Durchgängigkeit der Stauanlagen. Das Klappwehr hat jedoch keine Fischtreppe. "Da ergibt sich die Frage, warum die Konstrukteure das damals nicht berücksichtigt haben", wirft Langfeld ein. Er verweist zugleich auf die Wassermühle, die neben dem Turbineneinlass und einem Schott eine Aufstiegsmöglichkeit für Fische besitze. Doch bei dem verlandeten Mühlenarm sei der natürlich funktionslos.

"Wir haben jüngst in einer großen Runde mit Vertretern von Landesumweltamt, Anglerverband, unterer Wasserbehörde und dem Wasser- und Bodenverband am Wehr gestanden, doch gingen die Auffassungen hinsichtlich Verantwortung und Zuständigkeiten weit auseinander", erzählt Putlitz’ Bürgermeister Bernd Dannemann. "Das Betreiben des Wehres, das keine Hochwasseraufgabe mehr haben soll, ist uns weiter untersagt. Natürlich muss etwas mit dem Wehr passieren, doch einen Rückbau sehe ich als absurd an."

"Es gibt eine Liste bei den Wasser- und Bodenverbänden, in der zusammengetragen wurde, wo was gemacht werden soll, doch im Detail ist sie nicht mit uns abgestimmt. Von uns ist der Vorschlag, das Wehr abzureißen und eine Sohlgleite zu bauen, so nicht erhoben worden. Da ist nichts im Busch, zumal wir nicht Eigentümer sind, damit keinen direkten Zugriff haben und außerdem ganz andere Maßnahmen abzuarbeiten sind", hieß es aus dem Landesumweltamt. Richtig sei natürlich, dass alle Querbauwerke eine Durchlässigkeit haben sollen.

"Die Anlage wurde mit viel Geld gebaut und funktioniert nicht", kritisiert auch Frank Schröder, Geschäftsführer des Wasser- und Bodenverbandes WBV Prignitz. "Wenn hier etwas angefasst wird, egal ob Umbau, Rückbau oder Sohlgleite, und egal, wer das Geld dazu gibt, geht das nicht unter 300 000 Euro ab", macht Schröder deutlich. Für ihn sei der Ersatz des Wehres durch eine Sohlgleite, ähnlich wie in Neustadt/Dosse, denkbar. Mit Anstaumöglichkeit, so dass auch wieder eine Turbinennutzung möglich wäre. Zur Liste meinte der WBV-Geschäftsführer, dass sie lediglich ein Erfassen von Problemfällen sei, die gelöst werden müssten. "Sie ist weder bestätigt, noch ein offizielles Handlungspapier."

Alle Partner an einem Tisch wäre ein erster Schritt "Wir wollen mit unserer Aktion wieder Bewegung in die Sache bringen, die Unterschriften der Stadtverordnetenversammlung vorlegen und Druck machen", betonen Langfeldt, Thätner und Dannehl.

Ein erster Schritt wäre, alle Partner an einen Tisch zu holen, Informationsdefizite auszuräumen und machbare Alternativen zu finden. Landesumweltamt, Wasser- und Bodenverband, Bürgermeister und nicht zuletzt die engagierten Bürger sind dazu bereit. Doch einer muss der Einladende sein.