Mittwoch, 22. November 2017

 Antwort des Petitionausschuss des Landes Brandenburg

Ihre Petition vom 20.10.2016, eingegangen am 28.10.2016 Pet.-Nr. 1433/6
Geplanter Rqckbau einer Wehranlage unter wirtschaftlichen, ökologischen und bestandsschutzrechtlichen Aspekten.

Sehr geehrter Herr Dr. Knacke, der Petitionsausschuss des Landtages Brandenburg hat sich in seiner 46. Sitzung am 17. Oktober 2017 ein weiteres Mal mit Ihrer vorbenannten Petition befasst. Zum von Ihnen thematisierten Sachverhalt lagen dem Ausschuss Stellungnahmen von der Staatssekretärin im Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft, vom Landrat des Landkreises Prignitz sowie vom Amtsdirektor des Amtes Putlitz-Berge vor.
Bevor sich der Ausschuss zu Ihrem Anliegen äußert, dankt er für das Vertrauen, das Sie ihm mit der Einreichung Ihrer Petition entgegengebracht haben. Darin bitten Sie um Unterstützung beim Erhalt des Putlitzer Stepenitzwehres, um durch dessen Umbau/Wiederinbetriebnahme das historische Stadtbild mit Wehr und Mühlenteich zu erhalten bzw. wiederherstellen zu können sowie gleichzeitig die ökologischen Erfordernisse zu erfüllen.
Die Ermittlungen des Ausschusses haben ergeben, dass der Landkreis Prignitz bereits im Jahr 2001 ein Gutachten zur rechtlichen, hydraulischen und ökologischen Situation am Wehr Putlitz beauftragte, wobei auch alle möglichen Nutzungs- und Anliegeransprüche untersucht wurden. Nach Auskunft des Landrats wurde im Ergebnis festgestellt, dass der Verein „Energie Dezent“ e. V. als damaliger Betreiber der Wasserkraftanlage einziger Nutznießer der Stauhaltung am Standort Putlitz war, weshalb er die Pflichten bei der Bedienung und Unterhaltung der Stauanlage hätte übernehmen müssen. Die Stadt Putlitz habe damals ausdrücklich - auch unter Berücksichtigung des historisch gewachsenen Stadtbildes und der Bebauung entlang der Stepenitz - bekundet, dass sie an einer Stauhaltung nicht interessiert ist. Insbesondere aus Hochwasserschutzgründen (aufgrund fehlender Betreibung keine Bedienung im Hochwasserfall) und ökologischen Gesichtspunkten wurde die Stauhaltung auf Anordnung der unteren Wasserbehörde auf den jetzigen Stand abgesenkt, nachdem im Jahr 2006 das Wehr letztmalig geöffnet wurde. Gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie ist das Land Brandenburg verpflichtet, in der Stepenitz sowie in ihren Nebenflüssen und -bächen einen guten ökologischen und chemischen Zustand herzustellen, was unter anderem die Verbesserung der Strukturgüte sowie die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit für Fische und weitere aquatische Organismen bedeutet. Querbauwerke haben dabei negative Auswirkungen auf die Gewässerökologie, da sie durch Segmentierung die Struktur und Form des Fließgewässers verändern sowie untypische künstliche Stillwasserzonen und Niedrigwasserabschnitte schaffen. Hervorzuheben ist außerdem, dass das Einzugsgebiet der Stepenitz das mit Abstand wichtigste Fließgewässersystem für das seit 2003 laufende Programm zur Wiederansiedlung von Lachs und Meerforelle in Brandenburg ist. Mit dem Putlitzer Stepenitzwehr liegt das letzte ganzjährig unpassierbare Querbauwerk vor, das den Aufstieg wandernder Fischarten in den rund 30 km langen Oberlauf verhindert.
Nach Auskunft des Ministeriums gibt es aus wasserwirtschaftlicher Sicht (Gewässerunterhaltung, Hochwasserschutz) für das Mühlenwehr keinen Bedarf mehr, weshalb dessen Umgestaltung geplant wurde, wozu vorab folgende Variantenuntersuchung erfolgte:

    1.    ersatzloser Rückbau,
2.    Raugerinne im Unterwasser der Brücke,
3.    Kombination aus Raugerinne und Riegelrampe,
4.    flach geneigte Sohlengleite im Oberwasser der Brücke

Die der Stadtverordnetenversammlung durch das beauftragte Planungsbüro vorgestellte Fotosimulation der favorisierten Sohlengleite habe dabei nur einer ersten Orientierung gedient. Ausdrücklich betont das Ministerium gegenüber dem Ausschuss, dass hinsichtlich der Bauvariante nicht die Förderfähigkeit im Vordergrund stehe. Vielmehr seien die rechtlichen Erfordernisse, der sparsame Einsatz öffentlicher Gelder, Folgekosten sowie der wasserwirtschaftliche und ökologische Bedarf entscheidend.
Die von Ihnen vorgeschlagene Variante einer Fischtreppe im Mühlengraben ist nach Auskunft des Ministeriums nicht umsetzbar. Im Gegensatz zur wartungsarmen Sohlengleite in geschütteter Bauweise ohne Riegel müsste im Mühlenarm eine normgerechte Fischaufstiegsanlage gebaut werden. In der Folge wären ein völlig neuer Durchlass unterhalb der Landesstraße, ein Abbau der Mühlentechnik im Mühlengebäude sowie vermutlich ein weitgehender Abriss des Mühlengebäudes selbst notwendig. Hinzu kämen der Gebäudegrunderwerb sowie ein erheblicher finanzieller Mehraufwand bezüglich des Baus und vor allem der Anlagenunterhaltung. Die Fischaufstiegsanlage müsste zwischen zwei intakte und bewohnte Häuser gebaut werden. Neben erheblich höheren Risiken bei der Bauausführung würden daraus schätzungsweise Kosten von mindestens dem Dreifachen der in Planung befindlichen Sohlengleite resultieren.
Ihr Hinweis auf den Schutzstatus als Bodendenkmal-Nummer 111628 (Mühle deutsches Mittelalter, Neuzeit) findet Berücksichtigung in einer diesbezüglichen Anfrage an das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege. Da es sich nach Aussage der Denkmalschutzbehörde des Landkreises Prignitz bei der Mühle Putlitz um einen Alteintrag aus DDR-Zeiten mit einer nicht dem heutigen Standard entsprechenden denkmalrechtlichen Beurteilung handelt, wurde um Darlegung gebeten, welche Bestandteile der Mühle der Denkmalstatus umfasst und ob die Wehranlage aus den 1990er-Jahren hier integriert werden kann, soll oder muss. Parallel sicherte die Staatssekretärin dem Ausschuss zu, dass unabhängig von diesem Sachverhalt die Belange des Denkmalschutzes im Rahmen des wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens (Planfeststellungsverfahren) zu dem geplanten Wehrrückbau vollumfänglich geprüft und die zuständigen Denkmalschutzbehörden nochmals beteiligt werden. Neben dem vorgenannten Bodendenkmal soll dabei auch eine mögliche Betroffenheit weiterer Baudenkmale geklärt werden.
Aufgabe des Petitionsausschusses ist es, die Rechtmäßigkeit behördlichen Handelns zu überprüfen. In der Zusammenschau der vorgenannten Fakten vermag der Petitionsausschuss nicht zu erkennen, dass der geplante Wehrrückbau gegen geltendes Recht verstößt. Vielmehr soll damit den Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes und des Brandenburgischen Wassergesetzes, die auf der EG-Wasserrahmenrichtlinie und der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie beruhen, Genüge getan werden.
Der Petitionsausschuss ist sich bewusst, dass sein Prüfungsergebnis der von Ihnen geäußerten Bitte um Unterstützung entgegensteht. Für den von Ihnen verfolgten Erhalt der Wehranlage und damit des historischen Stadtbildes hat der Ausschuss größtes Verständnis. Allerdings gibt er gleichzeitig zu bedenken, dass genau dieses Stadtbild bereits seit längerem durch das oben beschriebene Absenken des Wasserstandes so nicht mehr vorhanden ist. Vielmehr müsste durch die Wiederinbetriebnahme der Wehranlage die gegenständliche Stauung in früherer Höhe erst wiederhergestellt werden. Nach alledem bittet Sie der Ausschuss um Verständnis, dass er Ihr Anliegen unter den angeführten rechtlichen Gesichtspunkten nicht zu unterstützen vermag und auch von der Durchführung eines Ortstermins keinen Gebrauch machen wird.
Abschließend möchte Sie der Petitionsausschuss informieren, dass das Ministerium zugesichert hat, die Stadt Putlitz und das Amt Putlitz-Berge durch das zuständige Landesamt für Umwelt im Rahmen der laufenden Planungen auch weiterhin über das rechtlich vorgeschriebene Maß hinaus beteiligen zu wollen. Detailabstimmungen werden zum Beispiel bezüglich der Ufergestaltung der Stepenitz im Bereich der Sohlengleite, der Erlebbarkeit der Anlage, der Aspekte der bauzeitlichen Flächeninanspruchnahme und der Gewässerunterhaltung erfolgen. Das Landesamt beabsichtigt, noch in diesem Jahr einen Antrag auf Planfeststellung bei der zuständigen oberen Wasserbehörde einzureichen. Mit diesem Hinweis schließt der Ausschuss die Bearbeitung Ihrer Petition ab.